Abschlussbericht und Reflexion der Proteste gegen die Innenministerkonferenz (IMK) vom 4. bis 6.12.2013 in Osnabrück
Als wir irgendwann im späten Sommer 2013 davon erfahren haben, dass die Herbstkonferenz der Innenminister_innen in Osnabrück stattfinden sollte, war für uns von Anfang an klar, dass das „ein ganz großes Ding“ für uns wird und wir die nächsten Monate kaum noch Zeit für andere Sachen haben werden. So sollte es sein.
In diesem Abschlussbericht wollen wir unsere Arbeit reflektieren, die Tragweite einer solchen Veranstaltung für die Szene verdeutlichen, die Ergebnisse der Konferenz selbst beurteilen (gesonderter Text) und schließlich nach vorn blicken und euch, als möglicherweise demnächst selbst Betroffene, ein paar Gedanken zur Hand geben.
Das Bündnis
Das Bündnis „Kein Frieden mit der IMK“, welches am Anfang noch gar nicht so hieß sondern irgendwie anders, hat sich zunächst alle zwei Wochen getroffen um über Ideen und Vorstellungen zu sprechen. Schnell wurde uns klar, dass wir gar nicht so viel über die IMK an sich wissen und uns erst mal selbst ein Bild machen müssen. Die Recherche auf Seiten linksradikaler Gruppen, welche in der Vergangenheit selbst von der IMK betroffen waren, um detaillierte Hintergrundinformationen zur IMK zu erfahren, war nicht so zielführend. Die Selbstfindungs- und Bildungsphase hat deutlich zu lange gedauert. Dadurch sind wir mit der Mobilisierung etwas in zeitlichen Verzug geraten.
Vortragsreihe
Die Vielfalt der typischen IMK-Themen ist so umfangreich, dass wir uns nicht auf einzelne Themen beschränken, sondern den Umfang auch in einer Vortragsreihe deutlich machen wollten. Insgesamt organisierten wir 12 Vorträge und Workshops zu unterschiedlichen Themen wie u.a. Kritik am Verfassungsschutz, Aufarbeitung des NSU-Komplexes, Flüchtlingspolitik und Datenschutz. Durch die Vorträge hatten wir und andere interessierte Menschen die Möglichkeit sich kritisch mit den Themen der IMK auseinanderzusetzen. Ursprünglich befürchteten wir, dass die ersten Vorträge sehr gut und die späteren schlecht besucht werden würden. Dieses hat sich erfreulicherweise nicht bestätigt. Im Durchschnitt waren etwa 40 Menschen bei den Vorträgen, was bedeutet, dass die Referent_innen insgesamt fast 500 Zuhörer_innen hatten. Auch das Feedback und die Anerkennung „von Außen“ für die Vortragsreihe war durchweg positiv, was uns natürlich sehr gefreut hat.
Mobilisierung / Öffentliche Wahrnehmung
Mobi-Material
Die IMK in Osnabrück war, unserer Einschätzung nach, bundesweit bekannt, was sicherlich an den verschickten 20.000 Aufklebern, 5.000 Flyern und 2.500 Plakaten gelegen hat. Wir mussten allerdings feststellen, dass in einigen Städten kein Mobimaterial angekommen ist. Wir haben etwa 140 Päckchen verschickt, von denen etwa 30 zurück gekommen sind. Meistens war der Grund, dass der „Empfänger unbekannt“ war oder eingelagerte Päckchen nicht abgeholt wurden. Wir haben alle Adressen von euren Internetseiten recherchiert. Es ergibt also durchaus Sinn, reale und aktuelle Kontaktdaten zu veröffentlichten.
Mobi-Veranstaltungen
Erfreulicherweise war es uns möglich eigene Kapazitäten für eine Mobi-Tour zu stellen. Wir wurden nach Bremen, Wuppertal, Münster, Bielefeld, Oldenburg und Berlin eingeladen. In Osnabrück selbst wurden zwei Veranstaltungen abgehalten. Die Veranstaltungen waren weitestgehend gut besucht, was uns auf ein gutes Mobilisierungspotential für die geplanten Demonstrationen hoffen lies. So eine Mobi-Tour ist mehr als nur das Referieren von Planungen, sondern bietet oft auch die Möglichkeit sich (näher) kennenzulernen. Eine Erfahrung, die wir gerne noch mal machen.
Infotische
Infotische in der Innenstadt sind äußerst nervig aber wichtig. Wir organisierten insgesamt viermal einen Infotisch, von denen wir drei durchführten. Der Infotisch am letzten Konferenztag wurde wegen einer zeitgleich stattfindenden NPD Kundgebung in Osnabrück abgesagt. Bei den Gesprächen an den Tischen fiel uns auf, dass der für uns inzwischen so bekannte Begriff „IMK“ für die meisten angesprochenen Menschen fast unbekannt war. Die an uns gerichtete Kritik, dass nicht alle wissen, dass IMK Innenministerkonferenz bedeutet, nehmen wir an.
Pressearbeit
Mit unserer Pressearbeit sind wir nur teilweise zufrieden und betrachten diese sehr selbstkritisch. Zu spät wurde uns klar, wie zeitaufwendig und anspruchsvoll erfolgreiche Pressearbeit sein kann. Eine schnell gegründete Pressegruppe war mit dem für Osnabrück ungewohntem Interesse teilweise überfordert. Mehrmals am Tag klingelte, vor allem kurz vor den Demonstrationen, das angebotene Pressehandy. Die Kontakte reichten von lokalen Medien bis hin zum NDR oder gar dem Spiegel. Vor allem letztere wollten wissen, ob mit Ausschreitungen etc. zu rechnen sei und ob es sich daher „lohnen“ würde Kamerateams vorbeizuschicken.
Was am Ende in den Medien tatsächlich veröffentlicht wurde, war bis auf ein Fernsehinterview, von dem nur äußerst unglückliche und nicht passende Ausschnitte gesendet wurden, okay. Wir müssen erkennen, dass das „Gesicht zeigen“ für Fernsehaufnahmen ein undankbarer Job ist und einer guten gemeinsamen Vorbereitung bedarf.
Demonstrationen
Wir organisierten insgesamt zwei Demonstrationen mit unterschiedlichen Ausrichtungen. Besondere Bedeutung und Erwartung hatte die „bundesweite Demonstration am 30. November 2013“.
Gemessen am Mobilisierungsumfang, der Erfahrung einer kurz zuvor stattgefundenen antifaschistischen Demonstration in Osnabrück, den Rückmeldungen aus anderen Städten und eigener Erwartung bezifferten wir das Mobilisierungspotential auf 500-1000 Teilnehmer_innen. Eine hohe Zahl, die uns nicht unrealistisch erschien. Natürlich ist es etwas enttäuschend, dass tatsächlich „nur“ 350-400 Menschen gekommen sind. Wir glauben, dass der IMK als zentrale Entscheidungsinstanz, in der Linken, (noch) nicht genügend Bedeutung beigemessen wird. Möglichweise konnten wir auch nicht ausreichend vermitteln, warum es wichtig ist, gegen die IMK zu protestieren. Sicherlich waren auch zeitgleich stattfindende Demonstrationen zu ähnlichen Themen entscheidend für die geringere Teilnehmer_innenzahl. Obwohl wir unsere erwartete Zahl nicht erreicht haben, sind wir mit der Demonstration weitestgehend zufrieden. Durch viele Transparente, Sprechchöre und Redebeiträge konnten viele Inhalte vermittelt werden. Einen kleinen Beigeschmack hat die Undeutlichkeit des Antira-Blocks hinterlassen. Diese war internen Kommunikationsproblemen geschuldet. Wir sind dabei dieses aufzuarbeiten.
Dass wir mit der Einschätzung des Mobilisierungspotentials nicht alleine waren, zeigte das Verhalten der Polizei beim Kooperationsgespräch und die besonderen Auflagen zur Demonstration. Die Beteiligung eines Anwaltes an den Besprechungen und unsere Bereitschaft auch eine juristische Auseinandersetzung nicht zu scheuen führte schließlich zum Erfolg und förderte unsere Motivation. Auch das Polizeiaufgebot bei der Demonstration zeigte, dass sie mit einer in Osnabrück beginnenden Revolution gerechnet hatten. Die teilweise 3:1 „Betreuung“ müssen jedoch nicht wir rechtfertigen.
Die „Nacht-Tanz-Demo“ am Mittwochabend (4. Dezember 2013) mit etwa 150 Teilnehmer_innen, verlief ebenfalls ohne Probleme und hat Spaß gemacht. Sie war die erste dieser Art in Osnabrück und wir bewerten sie als Erfolg.
Finanzierung & Danke!
Da wir auf eure Unterstützung angewiesen waren, möchten wir auch zum finanziellen Aspekt der Kampagne ein paar Zeilen schreiben. Die Vortragsreihe, die Kosten für Werbung, Anwaltskosten, die Durchführung der Demonstrationen, Fahrtkosten usw. haben etwa 6.000 Euro betragen. Das klingt und ist viel – ist aber machbar gewesen. Ein besonderer Dank geht an die vielen solidarischen Menschen die etwas gespendet haben, bei den Soli-Theken im AJZ Bielefeld und SubstAnZ unsere Cocktails getrunken haben, auf den Soli-Konzerten waren, an die dort aufgetretenen Bands und an die Referent_innen, die weitestgehend zum Selbstkostenpreis angereist sind. Wir bedanken uns auch ausdrücklich bei den beteiligten Anwält_innen für das eingebrachte Engagement.
Schlussbemerkung
Durch unseren Protest sind wir an die Grenzen unserer Kapazitäten gestoßen – müssen aber keine Verluste verzeichnen. Eine so umfangreiche Kampagne wie die zur IMK war Neuland für uns. Eine Erfahrung, die wir nicht missen möchten. Individuell und kollektiv wissen wir, was wir stemmen können und das ist verdammt viel (gewesen). Natürlich ist einiges ausbaufähig und bietet ausreichend Platz für Verbesserungen. Durch die Kampagne konnten wir erstmalig über längere Zeit das politische und mediale Bild von Osnabrück mitbestimmen. Die Demonstrationen und so auch die von uns aufgegriffenen Inhalte waren Stadtgespräch.
Etwas unbefriedigend finden wir, dass die so genannte Zivilgesellschaft und/oder von der IMK selbst oder indirekt betroffenen Gruppen und Organisationen nicht oder kaum vertreten waren und ihren Unmut zur IMK nicht kundgetan haben.
Wir wünschen den Städten, die in Zukunft von der Innenministerkonferenz betroffen sind viel Kraft und viel Motivation. Besonders übersenden wir solidarische Grüße nach Bonn, wo die nächste IMK im Juni 2014 stattfinden wird.